Donnerstag, 20. Oktober 2011

Wie war das doch noch einmal vor 22 Jahren - 5


Huhu, liebes Blogvolk.



In den bisherigen Teilen bin ich bis zu den Jahren 1987/88 gekommen. In diesen Jahren gab es, und davon hört man heute recht wenig, für viele DDR-Bürger erhebliche Reiseerleichterungen. Natürlich ging es nur um Reisen in das NSW (Nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet) und sie kam nur für Bürger in Betracht, die in diesem Gebiet/Ländern Verwandte hatten. Die anderen konnten nicht dorthin fahren.


Natürlich gab es diese Erleichterungen nur, um die Unzufriedenheit in der Bevölkerung zurückzuschrauben. Mit wenig Erfolg. Die ganze Sache hatte eine Eigendynamik bekommen, die die Machtverhältnisse im Land erschütterten. Natürlich war die Staatssicherheit überall, aber dann doch wieder nicht so allmächtig, um die vielen Gruppen mit mutigen Menschen in den Griff zu bekommen.



In diese Situation hinein kam die Kommunalwahlen im Mai 1989. Bei dieser gab es zumindest bei uns im Prenzlauer Berg ein Novum. Ein ganz normaler Bürger, so wie Du und ich, ließ sich für die Stadtbezirksverordnetenversammlung (oder wie das damals hieß) aufstellen. Wie viele demokratische Grundstrukturen, war auch dieses Recht im Wahlgesetz der DDR verankert, nur sie wurden nicht mehr ‚gelebt‘. Zum einen sicherlich aus Angst, die Kontrolle über die ablaufenden Prozesse zu verlieren und zum anderen weil es zu wenige Bürger gab, die es einfach probiert haben (ähnlich wie heute vor Stuttgart 21). Der Schaden für die Demokratie in der DDR war dadurch erheblich. Hinzu kam die allgemein spürbare Verunsicherung der Behörden und öffentlichen Stellen.



Andere Bürgerinitiativen wollten in Berlin zum ersten Mal das Wahlergebnis überprüfen. Sie gingen aus diesem Grund in jedes Wahllokal und nahmen an der öffentlichen Auszählung Teil, schrieben die Ergebnisse mit und trugen sie aus ganz Berlin, Hauptstadt der DDR, zusammen. Auch das ließ das Wahlgesetz der DDR zu. Das Ergebnis war ernüchternd. In einzelnen Wahllokalen gab es fast so viele Gegenstimmen, wie im offiziellen Wahlergebnis für ganz Berlin. Dieses Engagement der Bürgergruppen brachte in der DDR vieles ins Rollen. Man sah zum ersten Mal ‚offiziell‘, wie man verschaukelt und wie die Wahrheit Verbogen wurde. Der Effekt war der, dass noch mehr Bürger sich in irgendwelchen Bürgergruppen engagierten oder sich vom Staat abwandten. Ich hatte es schon mehrmals erwähnt, es ging für viele nicht darum das Land zu verlassen, sie wollten nur eine demokratischere DDR. Auf alle Fälle hatten die oppositionellen Gruppen nach der Kommunalwahl einen erheblichen Zulauf und aus meiner Sicht wäre es mit einer anders verlaufenden Wahl, nicht oder mindestens nicht so schnell zum Mauerfall gekommen. Das ausschlaggebende Element für die Wende in der DDR war damit eindeutig die Kommunalwahl 1989. Die setze Prozesse und Massen in Gang, die nicht mehr einzufangen waren und der Kern hierfür war Berlin, speziell der Prenzlberg.



Was haben wir, d. h. die Mutter meiner Kinder und ich, in dieser Zeit gemacht? Wir waren u. a. nicht bei der Wahl. Das ging an sich ganz einfach. Man musste nur ein paar Besuche vom WBA (Wohnbezirksausschuss) erdulden, aber es ist einem dabei nichts passiert. Wir hatten auch schon schlimmere Situationen erlebt. Wieso erwähne ich das? Nein, Helden waren wir nicht, aber wir haben was getan. Ich kann mich noch gut an die Nachrichten an diesem Sonntagmorgen erinnern. Da wurde um 09:00 oder 10:00 Uhr für Wohngebiete in Thüringen und Sachsen gemeldet (dort wohnten Freunde von uns), dass bereits alle wählen waren. Leute, die als alles vorbei war, sich als große Helden deklarierten, waren als es einmal drauf an kam, nicht zu sehen. Viele von denen haben nach der Wende gut Karriere gemacht. Sei es ihnen gegönnt!


So wie auch dem oben genannte ganz normale Bürger, der in die Stadtbezirksverordneten-Versammlung gewählt wurde. Später hatte ich mal mit ihm zu tun und er sagte mir, die anderen konnten mit ihm nichts anfangen, er war für sie ein richtiger Fremdkörper. Aber er war da und das war sehr wichtig für den Herbst 1989.



Dazu später mehr.





[Photo: HGUSM]

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