Montag, 31. Oktober 2011

Wie war das doch noch einmal vor 22 Jahren - 6


Huhu, liebes Blogvolk.

Nach den Kommunalwahlen im Mai 1989 konnte man in der DDR die bevorstehenden Veränderungen mit Händen greifen. So sieht man das natürlich mit dem Blick des Jahres 2011. Damals war unsere Sicht auf die Dinge eine völlig andere. Wir wollten die Veränderungen in der Gesellschaft, keine andere, aber eine, die sich sehr wohl durch innere demokratische Prozesse selbst erneuern kann. Das hatten wir in nächtelangen Diskussionen hunderte Male durchgekaut, aber die Realität sah anders aus. Wir waren von einem Status quo umzingelt, der verknöchert wirkte. Aber es war auch was anders als vor der Wahl. Den Bürgern wurde vor Augen geführt, was man bewegen kann, wenn man sich bewegt. Man sah, es gab nicht nur undemokratische Gesetze, sondern es gab auch viele positive Elemente darin. Als mündiger Bürger, so verstanden wir uns immer mehr, fühlten wir uns dazu verpflichtet, diese auch auszuloten. Jeder in seiner begrenzten Form, aber die Masse hat in dieser Hinsicht eine große Dynamik.
Nicht zuletzt sehen wir das auch im Jahr 2011. Nur so kann man der Politik Zugeständnisse abringen. Die Regelmechanismen sind damals wie heute gleich. Wenn nur genügend Menschen sich für eine Sache stark machen, läuft die Politik beflissen hinterher. Hinterher, nicht vornweg!
Also was war das besondere am Sommer 1989? Es gab eine große Absetzbewegung über Ungarn in den Westen. Malerisch vom Westfernsehen jeden Abend ins Bild gesetzt und von den Bürgern sehr feinfühlig wahrgenommen. Es liefen die weg, die sich immer mit dem Gedanken herumschlugen und solche, die es vor wenigen Monaten noch gar nicht wollten. Die das Land aber dringend brauchte, wenn man einen anderen Weg gehen möchte. Gerhard Schöne hat in dieser Zeit ein Lied geschrieben, dass die Situation damals beschreibt. Es geht in diesem Lied darum, dass alle die weg wollten, an ihre Autoantennen ein weißes Band machten. Deshalb hieß sein Lied auch ‚Das weiße Band‘. Was viele damals dachten, kommt in den Zeilen ‚Ein rotes Band lass ich wehen…‘ vor. Er war keiner der weglief, sondern sich für Veränderungen engagierte. Er, eine Ikone der Vorwendezeit, der durch seine Texte vieles ermöglichte. Im Westfernsehen wurde immer Biermann als jeniger welcher benannt, dem die Menschen in der DDR zuhörten. Seine Lieder und Texte kannte kaum einer, außerdem waren sie viel zu kryptisch und wer in einem anderen Land so hoch gehoben wird, dem schaut man etwas misstrauisch hinterher. Ganz anders war es bei Gerhard Schöne. Er sang sich in die Herzen mindestens einer ganzen Generation und blieb ihnen immer treu. Er lief auch nicht in einer Zeit weg, in der es uns allen möglich war und eine Staatsnähe konnte man ihm nie und nimmer nachsagen.

Dieses Lied beschreibt unsere relative Ohnmacht, auf das, was um uns passierte. Aber nicht nur wir waren in unseren Handlungen beschränkt. Wie man heute weiß, waren die hohen Damen und Herren mit dieser Situation im Land völlig überfordert. Die einsetzenden Montagsdemonstrationen in Leipzig, die verstärkte Arbeit solcher Gruppen wie der Friedensbibliothek in Berlin, alle diese Aktionen konnten durch ein noch so starkes Sicherheitsnetz nicht verhindert werden. Was vor 1988 vielleicht noch möglich war, ging definitiv im Jahr 1989 nicht mehr. Dazu waren die Aktionen zu mächtig und die Anzahl der aktiven Bürger zu groß geworden. Alles was bis dahin als sicher galt, kam irgendwie aus den Fugen. Alle wussten es muss sich was bewegen und ändern, nur keiner konnte sagen, was und wie. Hier gibt es wieder schöne Parallelen zu heute.
Was dann kam und was aus meiner heutigen Sicht sehr wichtig war, war das Handeln von Prominenten und Künstlern. Warum wichtig, dass will ich im nächsten Artikel näher beleuchten.

Bis später.


[Photo: HGUSM]
[Songtext: Mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Schöne]

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